Veröffentlichungen

Hier können Sie ein Interview zu meiner Coaching-Arbeit lesen, veröffentlicht im Februar 2017 in der Zeitschrift GAB.

EINFACH MAL HINSCHAUEN

von Björn Berndt. 2. Februar 2017 auf http://www.blu.fm/gab/szene/einfach-mal-hinschauen/ und in gekürzter Printform in: GAB, Februar 2017 

Schlägt man sich in der Partnerschaft oder im Leben generell mit Problemen herum, die aufgrund ihrer Gleichartigkeit ein immer wiederkehrendes System erkennen lassen, bietet die Methode der Familienaufstellung eine Möglichkeit, Licht ins Dunkel zu bringen: In einer Gruppe wird eine Person als Stellvertreter für einen selbst ausgewählt, die im Kreis auf andere ausgewählte Stellvertreter trifft, die für Familienmitglieder, den Partner, Arbeitskollegen oder ähnliches stehen. Im Dialog der Figuren werden Beziehungen und Verbindungen aufgedeckt und erlauben einen neuen Blick auf altbekannte Situationen und Probleme. Jochen Bickert, bekannt als Entertainer und Theaterregisseur Jo van Nelsen, bietet als ausgebildeter systemischer Coach seit einigen Jahren spezielle Gruppenseminare für Lesben und Schwule an. Im Interview erklärt er die Familienaufstellung, was sie kann und wo ihre Grenzen liegen.

Wie bist du zu deinem Beruf als systemischer Coach gekommen?

Ich habe eine zweijährige Ausbildung beim Frankfurter Psychotherapeuten Helmut Meier gemacht. Meier ist ein sehr erfahrener Aufsteller, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Systemaufstellung, und zertifiziert als Ausbilder. Er wusste, dass ich auf der Suche nach einer Ausbildung bin, und ich kannte ihn von zwei Seminaren, die ich als Klient besucht hatte. Die Anforderungen zur Ausbildung sahen allerdings vor, bereits einen therapeutischen Beruf zu haben, was bei mir ja nicht der Fall war. Helmut Meier selbst hat mir trotzdem sehr nahe gelegt, eine Ausbildung zu machen und mich ermutigt, mich zu bewerben, weil er sicher war, dass ich ein Talent dafür habe. Als ich genommen wurde, war das also ein ganz großes Geschenk. Man hat mir während der Ausbildung immer wieder gesagt, dass man es sehr schätzt, dass ich sehr intuitiv an die Sache rangehe. Es gibt diesen Begriff der Phänomenologie, also das, was ist, wahrzunehmen. Das lernt man mit der systemischen Arbeit, und das ist mir gelungen, was wiederum viel mit meiner Erfahrung als Schauspieler und besonders als Regisseur zu tun hat. In der Regiearbeit schaue ich ja auch genau hin, jede Geste, jede Bewegung wird wahrgenommen.

Was versteht man unter einer „Familienaufstellung“?

Die Familienaufstellung gehört zum Feld der systemischen Aufstellungen. Es geht darum, zu erkennen, dass eigene Blockaden häufig mit Blockaden im Familiensystem zu tun haben, die sich aber nicht immer eins zu eins ausdrücken müssen. Das heißt zum Beispiel, wenn ich darunter leide, dass ich immer nach einer gewissen Zeit aus einer Beziehung fliehe, oder dass ich unruhig werde, wenn ich lange an einem Ort bin, dann schaut der systemische Aufsteller gerne in die Familie. Häufig gibt es dort zum Beispiel eine Kriegsfluchtgeschichte, die irgendwo im System abgespeichert ist, und die Botschaft ist: Es ist nirgendwo sicher, bleib nie zu lange! Selbst wenn es sich um die Generation unserer Großeltern handelt und unsere Generation keine solchen Kriegserfahrungen hat, ist die Botschaft da, denn die Großeltern geben ihre Erfahrungen weiter, wie wir alle unsere Erfahrungen weitergeben. Wir kommen zu 50 Prozent aus dem Vater und zu 50 Prozent aus der Mutter, und es ist ein Irrglaube, dass man das einfach ignorieren kann. Es ist vollkommen klar, dass man in den meisten Fällen eine bessere Verbindung zu einem der Elternteile hat, aber gerade der Teil, den man vielleicht sogar verachtet oder ablehnt, den bindet man. Und da scheuen viele, sich das anzusehen. Aber genau da liegt die Lösung. Und ich ermutige jeden dort hinzuschauen. Die Erfahrung zeigt: Wenn man wegschaut, wird das Problem immer größer. Eigentlich ist es aber gar nicht so groß, man muss nur mal genau hinsehen.

Mit welchen Themen kann man zu einer systemischen Aufstellung kommen?

Inzwischen wage ich zu sagen, man kann mit jedem Thema oder Problem kommen. Ob ich den Beruf wechseln möchte, mir ein Krankheitssymptom anschauen möchte, meine Beziehung oder warum ich Beziehung nicht leben kann. Bei Schwulen und Lesben sind oft ganz viele Verletzungen in der Jugend passiert, weil wir uns in der Pubertät durchboxen mussten, weil wir als „anders“ erkannt wurden und wir uns selber als „anders“ erkannt haben. Die meisten haben diese Erlebnisse wunderbar abgespeichert und erzählen die eigene Geschichte immer so, dass sie gut ausgeht. Der verletzte Teil hat sich zurückgezogen, weil er nicht stören will. Aber der meldet sich, sobald ähnliche Verletzungen wiederkommen, und das geschieht alltäglich und arbeitet dann gegen uns.

Was kann die systemische Aufstellung und wo sind ihre Grenzen?

Es ist wichtig zu sagen, dass es eine Kurztherapieform ist. Es ist, wie einen starken Scheinwerfer auf ein Problem zu halten, um dort eine Lösung zu finden oder sie zumindest greifbar zu machen. Das beruhigt. Die systemische Aufstellung kann sehr gut ergänzend zur Psychotherapie wirken, und ich würde mir wünschen, dass viel mehr Therapeuten das so sehen. Das ist keine Konkurrenz, und ich empfehle manchen Klienten, wenn es bei einem Problem eben nicht ausreicht, nur einmal ein Wochenende lang hinzuschauen, eine längere Begleitung zu suchen. Ich bin nicht der große Zauberer.

Was ist es nicht?

Die systemische Aufstellung ist kein Allheilmittel, aber sie ist eine wunderbare Methode, um für ganz alltägliche Dinge Klarheit zu bekommen. Es hat immer viel mit der eigenen Offenheit zu tun. Ich finde es wahnsinnig wichtig, dass man sich zeigt – in einer Welt, die eigentlich zunehmend Angst davor schürt, Dinge von sich Preis zu geben. Wenn man in einer Gruppe in der Eröffnungsrunde von den Problemen der anderen erfährt, kann schon das für einen selbst Entspannung bringen. Wir können nur über Offenheit in eine wirkliche Kommunikation gehen, weil Kommunikation nicht über den Austausch von Sätzen geht, sondern eher über eine Herzöffnung. So kitschig das jetzt klingen mag. Ich finde es wichtig, dass man das auch so benennt.

Die Familienaufstellung hat in Deutschland mit Bert Hellinger eine große Popularität erfahren und dabei auch viel Kritik geerntet …

Hellinger hat Mitte der 80er in Deutschland die ersten Versuche gemacht, aber die Grundsteine liegen viel weiter zurück, zum Beispiel bei Jacob Levy Moreno, der das Psychodrama Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt hat, und vor allem bei der großen Familientherapeutin Virginia Satir. Hellinger hat sich in Amerika weitergebildet und ist dann in Deutschland aufgrund seiner bahnbrechenden Synthese verschiedener Methoden von seiner Fachschaft ausgeschlossen worden. Aber ich denke immer, einer muss es riskieren, ausgelacht zu werden.

Im Gegensatz zu deiner Arbeit in kleinen Gruppen macht Hellinger Familienaufstellungen in großen Hallen mit mehreren hundert Zuschauern. Ist das nicht etwas fragwürdig?

Ja, man muss einfach sagen: Der Mann ist ein Popstar!

Das macht’s ja nicht besser! Ich finde das eher unseriös oder verantwortungslos …

Ich bin da vollkommen auf deiner Seite, ich würde mir das auch nicht antun. Es liegt auch am Klienten selbst, wenn er sich dem aussetzt, dass vierhundert Augenpaare auf ihn gerichtet sind, während er auf der Bühne von seinen Problemen berichtet. Ich denke, das zieht auch eine gewisse Klientel an. Aber ich sage auch immer, jeder Klient findet seinen Coach, und Hellinger ist lange genug verachtet worden und hat ohne Geld gearbeitet; und dass er mit 90 Jahren damit jetzt auch nochmal Geld verdienen möchte, ist für mich nachvollziehbar. Und die Nachfrage ist ja da, wie man bei seinen Großveranstaltungen sieht. Bei der Kritik steckt aber auch immer der Gedanke dahinter, dass Menschen, die in therapeutischen Berufen arbeiten, bitte kein Geld verdienen dürfen.

Die Familienaufstellung zeigt, dass die Antworten eigentlich alle in einem selbst stecken, aber man sieht sie oftmals einfach nicht. Woran liegt das?

Das frage ich mich auch oft. Wir halten die Wahrheit oft nicht aus, weil sie uns massiv in die Pflicht und in die Verantwortung nimmt. Das ist schwer, denn wir sind es gewohnt, keine Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. Das zu durchbrechen kostet viel Mut, Zeit und Kraft, und da verstehe ich jeden, der sagt, das schaffe ich nicht, also schaue ich halt weg. In Bezug auf meine Arbeit kann ich sagen, ich finde es persönlich viel schwieriger, ein Leben lang mit Blockaden rumzulaufen oder dauernd krank zu werden, anstatt sich einmal eineinhalb Stunden dem zu stellen …

Manchmal braucht es wohl nur einen, der den Blick vielleicht einen Tick in eine andere Richtung lenkt.

Das ist genau das, was ein Coach macht: Dir einfach einen anderen Weg als Möglichkeit aufzuzeigen. Gehen musst du ihn dann selbst.

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